Beim Lesen der Überschrift werden Sie sich vielleicht fragen, was das mit der Mayr-Kur zu tun hat. Möglicherweise klingt das einigen von Ihnen auch zu „spirituell“. Doch das Ganze hat absolut seriöse und sogar wissenschaftliche Grundlagen, wie Sie im Folgenden erfahren werden. Das „Waldbaden“ hat – ganz im Mayrschen Sinne – zahlreiche positive Auswirkungen auf das gesundheitliche Befinden, was sich letztlich auf den gesamten Körper auswirkt. Wir haben ja bereits über die Vorteile des Spazierengehens geschrieben – eine Steigerung stellt das Ganze dar, wenn es im Wald stattfindet.
Sinnreicher Genuss mit positivem Effekt
Jeder von uns kennt sicherlich das wohlige Gefühl, das uns überkommt, wenn wir einen Wald betreten und uns einige Zeit darin aufhalten – alle Sinne kommen hier auf ihre Kosten: Wir atmen tief ein und aus und genießen den Duft nach Holz und Moos. Auch die Stille ist wunderbar – hauptsächlich das Zwitschern der Vögel und das Rascheln der Baumwipfel sind zu hören. Das tiefe Grün in allen Schattierungen tut dem Auge gut. Die frisch gepflückten Wald-Erdbeeren, Brombeeren oder Himbeeren schmecken besser als jedes Supermarkt-Obst. Der weiche Boden unter den Füßen fühlt sich angenehm an und bei der Berührung der Baumstämme fühlen wir deren natürliche Aura.
Sie stimmen uns voll zu? Oder klingt Ihnen das zu schwärmerisch? Was auch immer zutrifft, von einem sind wir überzeugt: Sie verlassen den Wald mit frischer Energie, in positiver Stimmung, entspannt und mit einem angenehmen Wohlgefühl. Woran das liegt, welche Auswirkungen das Waldbaden hat und wie Sie es richtig machen – darum geht es jetzt. Unterlegt wird das Ganze mit Studien und vielen Infos aus einem tollen Buch.
Der „Biophilia-Effekt“ wirkt auf uns alle
Der studierte Biologe, Pflanzenwissenschaftler und mehrfache Autor Clemens Arvay hat sich dem Phänomen „Wald“ auf wissenschaftliche Weise genähert und damit sozusagen das „abgesichert“, was viele Menschen bei einem Waldaufenthalt – wie oben beschrieben – fühlen. Gleichzeitig ist Arvay auch offen für die Natur und bereit zu akzeptieren, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde als nur trockene Zahlen und Studien. So hat er sein Buch „Der Biophilia-Effekt“ genannt. Gemeint ist damit die Sehnsucht des Menschen nach der Natur und seine Liebe zum Lebendigen. Übersetzt aus dem Griechischen bedeutet es „Liebe zum Leben“.
Der österreichische Musiker Andreas Danzer drückt es im Buch ebenfalls sehr treffend aus: „Jeder Mensch verspürt tief im Inneren den Drang nach der Nähe zur Natur. Wir haben Wurzeln und die sind nicht in Beton gewachsen.“1 Unsere Verbindung zur Natur ist das Ergebnis eines Evolutionsprozesses, der über Jahrmillionen gelaufen ist. Trotz Technisierung und Verstädterung ist sie in jedem von uns tief verwurzelt – ob wir wollen oder nicht. Diese Verbindung kommt intensiv zum Tragen, wenn wir uns im Wald aufhalten.
Definition von „Waldbaden“
Was ist nun damit gemeint, wenn wir von Waldbaden sprechen? Es geht sicherlich nicht darum, eine Badewanne auf dem Waldboden zu platzieren und dort ein warmes Bad zu nehmen – obwohl das sicherlich auch sehr angenehm wäre … Die Gesundheitsbewegung des Waldbadens kommt aus Japan und wird dort Shinrin Yoko genannt, was so viel wie „Baden in der Waldluft“ oder eben einfach kurz „Waldbaden“ bedeutet. Dafür sind keine körperliche Anstrengung oder extreme sportliche Aktivitäten notwendig. Schon ein gemütlicher Waldspaziergang erzielt den gewünschten Effekt.
An japanischen Universitäten wurde sogar der Forschungszweig „Waldmedizin“ gegründet. Außerdem wurden und werden mittlerweile weltweit Studien durchgeführt, die zeigen, dass das Waldbaden unser Immunsystem stärkt, den Blutdruck senkt, Stresshormone reduziert etc. So ist Shinrin Yoku in Japan eine vom japanischen Gesundheitsministerium anerkannte und geförderte Stress-Management-Methode. Sogar Killerzellen werden nachgewiesenermaßen vermehrt und aktiviert. Das sind jene natürliche Zellen unseres Immunsystems, die Viren aus unserem Körper entfernen, die Entstehung von Krebs verhindern und einen bestehenden Tumor bekämpfen.
Die Kommunikation der Bäume
Bäume kommunizieren – wie übrigens alle Pflanzen und auch Insekten – über chemische Substanzen. Dabei handelt es sich um Moleküle, „das sind winzige chemische Einheiten dieser Substanzen, die aus Atomen bestehen. Diese Moleküle können durchaus mit der menschlichen Sprache verglichen werden, denn genauso wie unsere Wörter tragen sie in der Welt der Pflanzen bestimmte Bedeutung und somit Information.“2 Clemens Arvay nennt das „Pflanzenvokabeln“, welche die Bäume bewusst und gezielt „aussprechen“ bzw. abgeben. Er schreibt: „Die meisten dieser chemischen Wörter gehören zu der Stoffgruppe der Terpene. Das ist eine sehr große Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe mit fast 40.000 Vertretern.“3
Terpene sind beispielsweise in ätherischen Pflanzenölen enthalten und werden als Duftstoffe von den Pflanzen abgesondert. Damit bekämpfen sie Fressfeinde, alarmieren benachbarte Bäume, schützen sich vor Sonneneinstrahlung oder verjagen Konkurrenzpflanzen. Diese Kommunikation geschieht über hoch komplexe, natürliche Regelkreise und zeigt uns auf beeindruckende Weise die Intelligenz der Natur.
Was passiert beim Waldbaden?
Unser Immunsystem ist der Schlüssel für unsere Gesundheit. Aktuelle Forschungsergebnisse bringen immer mehr zu Tage, dass es sich dabei um ein wahrnehmendes, kommunizierendes und handelndes Sinnesorgan handelt. Beim Aufenthalt in der Waldluft trifft nun Ihr kommunikationsfähiges Immunsystem auf die kommunikationsfähigen Bäume. Sie atmen die mit Terpenen angereicherte Waldluft ein – Ihr Immunsystem beginnt, mit den Bäumen zu kommunizieren. Es nimmt Reize aus der Außenwelt wahr und reagiert entsprechend darauf – es agiert als unsichtbare Empfangsantenne Ihres Körpers, sobald Sie den Wald betreten.
Clemens Arvay schildert den Wald als „hoch komplexen Lebensraum, in dem tausende und abertausende Lebewesen miteinander kommunizieren. Die Kronen der Bäume sind dann Sendestationen, die Pflanzenbotschaften in die Luft hinaus funken. Die Blätter der Sträucher, Büsche, Ranken und Kräuter senden Pflanzenvokabeln aus … Überall schwirren Moleküle umher, die Informationen enthalten und andere Lebewesen entschlüsseln sie.“4 Welche positiven Effekte das auf unsere Gesundheit hat, erfahren Sie jetzt.
Krebsvorbeugung durch tiefes Atmen
Weiter oben haben wir bereits über die Killerzellen gesprochen. Wissenschaftler haben folgende messbare Ergebnisse nach einem Waldaufenthalt gefunden:
- Im Immunsystem steigt die Anzahl der natürlichen Killerzellen deutlich an.
- Die natürlichen Killerzellen zeigen über viele Tage eine erhöhte Aktivität.
- Die zur Vorbeugung von Krebs notwendigen Anti-Krebs-Proteine haben sich vermehrt.
Der Biologe Arvay erkärt in seinem Buch: „Einige unter den Terpenen interagieren auf höchst gesundheitsfördernde Weise mit unserem Immunsystem.“5 Er nennt sie „Anti-Krebs-Terpene“. Weiter schreibt er: „Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass die Anti-Krebs-Terpene aus der Waldluft alte Bekannte für unser Immunsystem sind …[es] kann sie entschlüsseln. … Waldmediziner wissen, dass die Anti-Krebs-Terpene sowohl direkt auf das Immunsystem einwirken, als auch indirekt über das Hormonsystem, zum Beispiel über die Senkung von Stresshormonen.“5
Wenn Sie nur einen Tag im Wald verbringen, sind in Ihrem Blut 7 Tage lang mehr natürliche Killerzellen aktiver als normalerweise. Bleiben Sie zwei oder drei Tage in einem Waldgebiet, erhöht sich die Tätigkeit der krebsbekämpfenden Killerzellen auf dreißig Tage. Sie müssen dazu die Waldluft nur tiiiieeeef einatmen.
>> Bewusstes Atmen für mehr Wohlgefühl
Weitere positive Effekte des Waldbadens
Schauen wir uns nun an, was Sie durch den Aufenthalt im Wald und der freien Natur – es kann auch ein Park oder Garten sein – noch Gutes für sich tun können:
Stress
Wissenschaftler verglichen städtische mit natürlichen Landschaften in Bezug auf ihre Beeinflussung des Stressniveaus. Dabei war die Natur unangefochtener Sieger. Wenn Sie es noch konkreter wissen möchten, finden Sie im Buch “Der Biophilia-Effekt” auf Seite 72 eine Aufzählung, welche natürlichen Landschaften am besten Stress abbauen. Das ist auch im Mayrschen Sinne äußerst interessant, denn Darmbeschwerden gelten als stressbedingte Zivilisationskrankheiten. Japanische Wissenschaftler untersuchten ebenfalls die Auswirkungen der Waldatmosphäre und der dort „herumschwirrenden“ Pflanzenvokabeln auf Stress bzw. das Stresshormon Cortisol. Es wurde nachgewiesen, dass ein Waldspaziergang die Stresshormone drastisch senkte. Der Cortisolspiegel sank übrigens auch beim bloßen Betrachten eines Waldes. Auch der Noradrenalinwert – ein weiteres Stresshormon – sinkt im Wald deutlich ab. Gleichzeitig wird der Parasympathikus, der „Nerv der Ruhe“ beim Aufenthalt im Grünen aktiviert. Das dient der Entspannung und Regeneration und baut körperliche und geistige Ressourcen wieder auf. In Studien wurde zudem festgestellt, dass auch Schlafstörungen behoben werden können, wenn man sich regelmäßig in der Natur aufhält.
Diabetes
Ein japanischer Diabetologie-Professor fand heraus, dass sowohl der Spaziergang als auch „nur“ der Aufenthalt im Wald den Blutzuckerspiegel bei seinen Diabetespatienten gesenkt hat.
Selbstheilungskräfte
Eine faszinierende Studie wies nach, „dass alleine der Ausblick aus dem Fenster eines Krankenzimmers hinaus ins Grüne die Heilung nach Operationen beschleunigt.“6 Also alleine der Blick auf einen Baum heilt – das wurde unumstößlich in dieser bahnbrechenden Studie nachgewiesen, die sich lt. Clemens Arvay als ein „wissenschaftliches Evergreen“ entpuppte. Sie können sich vorstellen, was dann erst der Aufenthalt in der freien, grünen Natur bewirken kann.
Chronische Schmerzen
Der gleiche Wissenschaftler spielte chronischen Schmerzpatienten Naturaufnahmen vor bzw. zeigte ihnen Naturfotografien. Bei seinen Untersuchungen stellte er fest, dass Naturerfahrungen tatsächlich Schmerzen lindern – sogar über Film, Foto und Tonband. Erst recht gilt das natürlich beim „echten“ Aufenthalt im Freien. Dies geschieht u.a. durch Serotonin, das mithilfe des Sonnenlichts verstärkt gebildet wird. Ein weiterer Grund ist der Mechanismus der Faszination und Ablenkung, welche die Natureindrücke bewirken. „Wenn Patienten abgelenkt oder versunken sind in angenehme Naturbilder, wird dem Schmerz weniger Aufmerksamkeit geschenkt und dieser nimmt in der wahrgenommenen Intensität ab.“7
Blutdruck und Herz
Naturerfahrungen wirken sich zudem laut koreanischen und japanischen Wissenschaftlern positiv auf den Blutdruck und die Herzfrequenz aus. Das Hormon DHEA wird verstärkt produziert, welches das Herz schützt und die Gefahr von Fettleibigkeit reduziert.
Psyche
Auch bei Depressionen, Angstzuständen, Bluthochdruck, Burnout, privaten und beruflichen Krisen und ähnlichem führten die Terpene im Wald zu messbaren Linderungen.
Aufmerksamkeit
„Wissenschaftler der Universität von Illinois trugen durch zahlreiche Studien zum Nachweis bei, dass Kinder mit und ohne Aufmerksamkeitsproblemen in Sachen Konzentration und Aufmerksamkeit von Naturerfahrung stark profitieren…“ 8
Richtig Waldbaden – so geht’s
Im Bereich der Waldmedizin gehört Professor Quing Li aus Tokyo zu den führenden Wissenschaftlern. Er hat einige „Grundregeln“ zum Waldbaden aufgestellt, die auch im Buch ab Seite 36 zu finden sind. Hier die Kurzfassung:
- Stellen Sie einen Plan auf, der zu Ihren körperlichen Voraussetzungen passt. Sie sollten im Wald nicht müde werden.
- Falls Sie Müdigkeit verspüren, machen Sie eine Pause an einem schönen Ort im Wald, an dem Sie sich wohlfühlen.
- Minimum ist ein zweistündiger Aufenthalt im Wald mit einem Spaziergang von ca. 2,5 Kilometern. In 4 Stunden gehen Sie ca. 4 Kilometer.
- Zur Aktivierung und langfristigen Stärkung Ihrer Killerzellen wird ein dreitägiger Waldaufenthalt empfohlen.
- Damit Ihr Immunsystem dauerhaft von den Antikrebs-Proteinen unterstützt wird, ist ein zwei- bis dreitägiger Waldaufenthalt pro Monat für jeweils vier Stunden ratsam.
- Nehmen Sie Wasser oder Tee mit, falls Sie Durst verspüren.
- Suchen Sie sich zwischendurch einen Platz im Wald, der Ihnen spontan gefällt. Dort bleiben Sie einige Zeit sitzen – entweder lesen Sie dabei, meditieren oder genießen einfach die wunderbare Atmosphäre.
Laut Clemens Arvay ist der Gehalt der Anti-Krebs-Terpene in der Waldlauft im Sommer am höchsten. Zudem schreibt er, dass im Waldesinneren die höchste Terpenkonzentration herrscht. Besonders viele der gesunden Moleküle sind in der Waldluft bei feuchtem Wetter, nach Regen oder bei Nebel, enthalten. Interessanterweise sind die Anti-Krebs-Terpene im bodennahen Bereich, also dort, wo wir Menschen uns bewegen, besonders dicht konzentriert. Erwähnt werden muss natürlich noch, dass das Waldbaden in erster Linie der Vorbeugung und Gesunderhaltung dient. Wenn Sie Beschwerden haben, sollten Sie immer zusätzlich Ihren Therapeuten befragen.
Buchempfehlungen zum Thema
Im Buch „Der Biophilia-Effekt“ sind zahlreiche interessante Informationen rund um die Heilkraft der Pflanzen enthalten. Clemens Arvay zitiert Studien, berichtet aber auch über viele eigene praktische Erfahrungen sowie solchen von Menschen, mit denen er gesprochen hat. Zudem liefert der Autor verschiedene Übungen, die Sie direkt selbst durchführen können – ob im Freien oder zuhause, beispielsweise die Ganzkörper-Atmung im Wald oder eine Naturmeditation zu Stärkung von Aufmerksamkeit. Im Kapitel „Der Anti-Krebs-Garten“ gibt Arvay Tipps, wie Sie einen heilenden Wald im eigenen Garten nachbilden können, mit Auswahl der Bäume, Sträucher, Obstgehölze, Gemüsepflanzen und Kräuter.
Das Buch bekommen Sie beispielsweise bei amazon. Es hat die ISBN 978-3548376592 und kostet neu als Taschenbuch 10,99 Euro.
Im Buch „Das Biophilia-Training“ erklärt Clemens Arvay zusammen mit einer Fitnesstrainerin die besten Übungen im Wald. Es ist für Anfänger und Fortgeschrittene geeignet. Zudem erfahren Sie die zahlreichen vorteilhaften Auswirkungen des „Wald-Fitnesscenters“ auf Bewegungsapparat und Muskelaufbau. Mit der ISBN 978-3990011607 ist das Taschenbuch für 22,00 Euro bei amazon erhältlich.
Fazit
Waldbaden hat zahlreiche positive Effekte auf die Gesundheit. Es baut beispielsweise Stress ab und beeinflusst das körperliche und geistige Wohlbefinden ganz im Sinne der Mayr-Medizin. Nicht umsonst sind fast alle Mayr-Kliniken in landschaftlich wunderschönen Gegenden gelegen. Außerdem tut Bewegung im Freien dem Darm gut und ist häufig Bestandteil einer betreuten Mayr-Kur. Nutzen Sie die Möglichkeit, während des Mayerns, dafür und danach ein ausgiebiges „Bad“ im Wald zu nehmen. Bleibt uns nur noch, Ihnen für den nächsten Waldspaziergang oder Sport draußen im Grünen einen tiefen Atem und jede Menge Terpene zu wünschen.
Textnachweise
1 S. 17, „Der Biophilia-Effekt“
2 S. 23, „Der Biophilia-Effekt“
3 S. 25, „Der Biophilia-Effekt“
4 S. 28, „Der Biophilia-Effekt“
5 S. 31, „Der Biophilia-Effekt“
6 S. 117, „Der Biophilia-Effekt“
7 S. 119, „Der Biophilia-Effekt“
8 S. 97, „Der Biophilia-Effekt“